Seiten

Dienstag, 24. Juni 2014

Der Schamchal und der Bettler

Heute gefallen mir zwei Fabeln eine aus Russland, die andere aus Deutschland. Sie sind in meinen Augen sehr weise und man sollte sie auch in der heutigen Zeit mal gedanklich durchspielen.  Mehr nicht ... und ich muss sagen, die Fabel aus Deutschland gefällt mir sehr gut.

Der Schamchal und der Bettler

Dem Schamchal (ein Herrschertitel) aus Asaini begegnete einst ein alter Bettler. Sprach der Schamchal zum Bettler: »Du bist in vielen Aulen gewesen, hast viele Menschen gesehen, erzähle mir etwas Interessantes und Lehrreiches!«

»Es gibt nichts Lehrreicheres auf Erden als die Tatsache, dass der Mensch sterblich ist«, entgegnete der Bettler. »Erzähle mir etwas Angenehmeres.«

»Es ist sehr schön, dass die Toten nicht wiederkehren«, entgegnete der Bettler. Diese Worte missfielen dem Schamchal. »Fort aus meinem Haus, du Narr! Du weißt nur unangenehme Dinge zu sagen!«

»Warte! Jage mich nicht fort, bevor ich dir nicht noch etwas gesagt habe!« Der Bettler verstummte, um dann fortzufahren: »Schamchal, wenn die Menschen nicht stürben, so würden alle Schamchale, die vor dir herrschten, noch leben, und du hättest niemals das Khanat geerbt. Wenn aber die Toten zurückkehren würden, so würden sich die früheren Khane gegen dich erheben und dich von deinem Thron verjagen.« Da erkannte der Schamchal die Weisheit des alten Bettlers und behielt ihn in seinem Palast.

Russland - Dagestan


Das Testament

»Sohn«, fing der Vater an, indem er sterben wollte, »wie ruhig schlief ich jetzt nicht ein, wenn ich nach meinem Tod dich glücklich wissen sollte! Du bist es
wert und wirst es sein. Hier hast du meinen letzten Willen; sobald du mich ins Grab gebracht, so brich ihn auf und such' ihn zu erfüllen, so ist dein Glück gewiss gemacht, versprich mir dies, so will ich freudig sterben.«

Der Vater starb, und kurz darauf brach auch der Sohn das Testament schon auf und las: »Mein Sohn, du wirst von mir sehr wenig erben, als etwan ein gut Buch und meinen Lebenslauf, den setz ich dir zu deiner Nachricht auf. Mein Wunsch war meine Pflicht. Bei tausend Hindernissen befliss ich stets mich auf ein gut Gewissen. Verstrich ein Tag, so fing ich zu mir an: ›Der Tag ist hin; hast du was Nützliches getan? Und bist du weiser als am Morgen?‹ Dies, lieber Sohn, dies waren meine Sorgen. So fand ich denn von Zeit zu Zeit zu meinem täglichen Geschäfte mehr Eifer und zugleich mehr Kräfte und in der Pflicht stets mehr Zufriedenheit.
So lernt' ich, mich mit Wenigem begnügen, und steckte meinem Wunsch ein Ziel. ›Hast du genug‹, dacht' ich, so hast du viel; und hast du nicht genug, so wird's die Vorsicht fügen. Was folgt dir, wenn du heute stirbst? Die Würden, die dir Menschen gaben? Der Reichtum? Nein, das Glück, der Welt genützt zu haben. Drum sei vergnügt, wenn du dir dies erwirbst.' So dacht' ich, liebster Sohn, so sucht' ich auch zu leben. Vergiß es nicht: Das wahre Glück allein ist, ein rechtschaffner Mann zu sein.«

Christian Fürchtegott Gellert - Mitteleuropa - Deutschland

Diese Fabel auf die Welt verteilt und befolgt, würde eine glücklichere Welt ergeben. Was sie es auch wert wäre.


4 Kommentare:

  1. Hallo Margot,

    ich finde es immer wieder toll was Du uns alles hier schreibst und es ist sicherlich eine Menge Arbeit für Dich diese Weisheiten und Geschichten immer wieder zu finden :)

    Dafür einfach heute ein kleines Danke!!!

    Liebe Grüße
    Björn :)

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Lieber Björn,
      es macht mir Spaß und ich mache es gerne, so lerne ich selbst noch viel.

      Doch dir möchte ich ein "ganz großes Danke" sagen, für deine sehr freundlichen Worte.
      Liebe Grüße, Margot.

      Löschen
  2. Liebe Margot,
    mit diesen beiden schönen Geschichten beende ich jezt
    den Tag.
    Ich muss Björn beipflichten.
    Eine gute Nacht wünscht dir
    Irmi

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Liebe Irmi, danke für deine lieben Zeilen.
      Für dich auch ein großes Dankeschön,
      es kommt von Herzen.♥
      Liebe Grüße, Margot.

      Löschen